1. ORDINATION von Mönchen und Nonnen am 25. April 1999
Die Grundätze des ersten abendländischen Zen-Ordens „Offene Weite“
Aus der Einführung und begleitende Erläuterungen von Taiku zur Ordinationszeremonie am 25. April 1999
Ordinationszeremonie (Jukai)
Wir sind jetzt hier und heute zusammengekommen, um, so wie es die Tradition im Zen-Buddhismus ist, die Zeremonie der Weitergabe der Regeln Buddhas, der Gebote, der Kais in der Gemeinschaft, diesen besonderen Ritus durchzuführen.
In diesem Ritus werden einige Schüler durch die Übergabe der Kais, der Linienurkunde und der Übergabe des Rakusus, des Symbols des Flickengewandes Buddhas zu Schülern in der Nachfolge von Buddha Shakyamuni.
Die heutige Zeremonie hat darüber hinaus aber eine ganz besondere Bedeutung. Sie erfolgt erstmals in der Kakunen taisei zen shu, der abendländischen westlichen Zen-Schule „Offene Weite“, die wir am 1. 6. 1998 hier gegründet haben und die heute hier ihre Manifestation durch die Weitergabe der Regeln erfährt. Seit fast 13 Jahren wird hier im Zendo der Zen-Übungsweg, der von Buddha Shakyamuni über Bodhidharma, Dogen Zenji, Taizen, Deshimaru Roshi und Sekkei Harada Roshi in den Westen hier zu uns überlieferten Zen-Weg weitergegeben an alle Menschen, die dies möchten. Diese Weitergabe des Zen, des Zazen-Übungsweges und die Weitergabe der Regel, der Kais Buddhas gehören als Basis/ Essenz zu einer Zen-Schule oder Gemeinschaft.
Vor undenklichen Zeiten hat der große Kalligraph den Pinsel angesetzt, um einen leeren Kreis zu malen. Jetzt und hier erreicht der Pinsel den Ausgangspunkt, der Kreis schließt sich, vollendet sich.
Die am 1.6.1998 begründete Kakunen Shu wird heute am 25.4.1999 zur unabhängigen westlich abendländischen Zen-shu – der Lebensübungsschule „Offene Weite“. Und noch ein Schritt wird jetzt und hier als etwas Neues in einer Zen-shu vollzogen: In den Orden, die Ordensgemeinschaft OFFENE WEITE innerhalb der Kakunen taisei zen shu werden die ersten Ordensleute oder Ordensangehörige aufgenommen als Schwestern und Brüder der Ordensgemeinschaft. Das ist ein mutiger Schritt für alle Beteiligten. Etwas Neues beginnen, sich auf Unbekanntes einlassen, das erfordert Mut und großes Vertrauen -Vertrauen in dieses große Geschehen. Im Zen-Buddhismus völlig neu, aber an unserer abendländischen klösterlichen Tradition orientiert stehen über diesem neuen westlichen Orden als Leitworte/ Grundsätze: Armut, Treue, Gehorsam.
Dies sind uralte mönchische Ideale, aber wenn ihr genau hinseht, sind alle in den Kais und dem höchsten Kai – Zazen – enthalten. Wer sich auf einen spirituellen Übungsweg begibt, muß zur Einfachheit und Klarheit ursprünglichen Lebens zurück finden. Aber wie kann es gelingen, die Einfachheit und Klarheit eines Klosterlebens in unser von Konsumstress und rastloser Aktivität geprägtes Alltagsleben zu integrieren? Wie eine neue Klarheit, eben eine neue Klarheit und Bescheidenheit, in unserer tägliches Leben bringen? Gelübte, Disziplin sind unabdingbare Voraussetzungen jeder spirituellen Entwicklung. Gelübte bestimmen die klösterliche Lebensweise. Mönche und Nonnen aller Religionen und Traditionen streben nach Vollkommenheit, indem sie bemüht sind, den Gelübten/ Grundsätzen Armut, Keuschheit, Gehorsam zu folgen.
Für uns Menschen in der Welt, im Alltagsleben beinhalten diese Gelübte viel umfassendere Wahrheiten, die auf alle Lebensaspekte anwendbar sind:
Armut bedeutet hier die rechte Einstellung zur gesamten materiellen Umwelt, bedeutet eine Lebensweise entwickeln, die ohne Anhaftung mit der Umwelt im Einklang steht und die auch den eigenen körperlichen und seelischen Befindlichkeiten entspricht.
Treue heißt die rechte Art und Weise in der alle Menschen, alle Paare, alle Gemeinschaften miteinander umgehen sollten, in Ehrlichkeit und Vertrauen.
Gehorsam definiert die rechte Beziehung zwischen den Menschen und dem grenzenlosen ewigen Universum (Gott), die rechte Beziehung, Harmonie zwischen dem Willen, dem Wollen von uns Menschen und dem Willen und Wollen des kosmischen Planes (Gottes Wille). Aber „nicht mein, sondern Dein Wille geschehe“.
Sinn klösterlichen Lebens von Mönchen und Nonnen aller Zeiten und des Lebens der Angehörigen des Zen-Ordens Kakunen – Offene Weite – unter den Grundsätzen von Armut, Treue und Gehorsam ist es, den Menschen heil, ganz werden zu lassen, sowohl in sich selbst, als auch in der Beziehung zur großen Mutter Erde/ unserer ganzen Umwelt.
Reuebekenntnis (Sangemeon)
Dieses Gatha der Reue hat folgende Bedeutung: „Alle schlechten Taten (Übeltaten) jemals durch mich begangen in zurückliegender Zeit, in Abhängigkeit von meiner anfanglosen Gier, Haß und Unwissenheit, entstanden aus meinem Körper, meinen Reden, meinem Denken, jetzt bekenne und bereue ich alles von ganzem Herzen.“
Weil dieses Bereuen (Sange) so wichtig ist, wird es dreimal gesungen. „Schlechte Taten“, die wir bereuen, haben nichts mit Sünde und Schuld im herkömmlichen Sinne zu tun. Schlechte Taten, Böses, Sünde, Übel, das sind Benennungen von Hindernissen bei der Verwirklichung des Buddha- Weges. Nicht moralisch/ ethisch schlechtes Tun, Reden, Denken, sondern Hindernisse, die wir so aufbauen, den Zen- Weg wirklich zu gehen und zu unserer Erleuchtung zu erwachen. Dieses Hindernis verstehen wir als Sünde, als „Böses“. Ursachen für diese Hindernisse (schlechte Taten) sind Habgier (Haben wollen), Wut, Haß (Wegschaffen wollen) und Unwissenheit/V erblendung (Mumio – kein Licht), Dunkelheit. „Jetzt bereue ich alles“. Ich bereue alle Sünden, jetzt in diesem Augenblick, an diesem Ort – hier und jetzt – im Einklang mit der Wirklichkeit, der Wahrheit unseres Lebens – so wie es so ist – jetzt! Und das ist der Zustand von Zen, die Zen- Wirklichkeit, die Wirklichkeit des großen Lebens. Wirkliches Sange – jisso sange -, wahrhaftes Bereuen bedeutet im Zen- Buddhismus, diese Wahrheit zu realisieren, eins zu sein mit der Wirklichkeit, eintreten in die Stille vor der Stille, erreichen des Wesens aller Dinge. Und genau da können die Kais, die Regeln, die Lebensgrundsätze eingehalten werden, genau da. Daher übt eifrig weiter Zazen und mit dem Verschwinden von Mumyjo, der Dunkelheit, verschwinden Gier, Haß/ Wut und Unwissenheit und damit alle Hindernisse, alles Böse. Harada Rosshi sagt: „Zazen ist ein Ausdruck von Bereuen“. Alle, die das Reuesutra rezitiert haben, sind dadurch rein geworden, frei von Schmutz. Wir alle – klar und rein! Und so rein ( wie nach dem Duschen), völlig nackt nehmt ihr Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha.
Dies sind die ersten der 16 Kais, die ihr übernehmt:
Seid eins mit Buddha
Seid eins mit der Wahrheit (Dharma)
Seid eins mit der Gemeinschaft (Sangha).
Zufluchtnahme (Sankiraimon)
In reinem, bedingungsfreien Zustand habt ihr die drei Kostbarkeiten fundamental erhalten. Die Übernahme der Kais macht diesen Zustand sicherer, fester und bekräftigt den Zustand der Reinheit. Ihr seid die drei Kostbarkeiten. Ihr seid die Wirklichkeit, die Wahrheit selbst.
Als nächstes übergebe ich euch die grundlegenden Regeln oder reinen Vorschriften:
- Tue nichts BösesDas heißt nicht „du darfst nicht“, vielmehr bedeutet dies „kann nicht sein“, „geht nicht“ – wenn ihr eins werdet mit dem Wollen des Universums.
Böses kann nicht sein, in der Wahrheit an sich. Erst wenn ihr nicht in Harmonie seit mit der Wahrheit eures großen Lebens, außerhalb der Regeln, gegen die Kais, dann wird dies zu einer Form von Bösem (Hindernisse).
Wir leben in ständig wechselnden Rollen. Abhängig von der Umgebung, der Zeit, den Umständen ist man Sohn/Tochter/Arbeitskollege/Enkel/Ordensangehöriger.
Bedingt durch Ursache und Wirkung (Inensetsu) wechselt dies ständig. In allen dieses Umständen als Mensch zu aggieren und zu reagieren entsprechend dieser Umstände, in Einklang dieser Regeln, den Geetzen der Welt und dem Wollen des kosmischen Plans, das meint die erste Vorschrift. - Tue GutesDie zweite reine Vorschrift. Diese reine Regel schließt die erste „Tue nichts Böses“ und die dritte Regel vollkommen ein:
- Tue Gutes für Andere und läutere deinen GeistSie sind dies positiven Seiten der ersten Regel. Dies ist Boddhisattva-Geist. Nicht für sich allein, sondern für das Wohlergehen von Anderen, von allen Lebewesen. Diese drei grundlegenden reinen Regeln gehen den 10 wichtigen Regeln voraus. Die sind ein mehr konkreter Weg um zu zeigen, wie man so lebt und ist.Ich frage euch jetzt: Seit ihr bereit diese drei grundlegenden Regeln zu übernehmen, zu bewahren und bestmöglich zu befolgen, dann beantwortet mit: „Ja, ich will“. (Antwort)
Die zehn wichtigen Kais (Regeln)
- Dai ichi fu sessho kai – Nicht töten
- Dai ni fu chuto kai – Nicht stehlen
- Dai san fu jain kai – Nicht unreine Sexualität
- Dai yo fu mogo kai – Nicht lügen
- Dai go fu koso kai – nicht Drogen mißbrauchen
- Dai roku fu akuko kai – nicht über Fehler Anderer reden
- Dai shishi fu ken hozai kai – nicht sich selbst loben und Andere herabsetzen
- Dai hachi fu rosetsu kai – nicht geizig sein (mit dem Dharma)
- Dai kyu fu anken kai – nicht wütend sein
- Dai jiu fu bodaya hosanbo kai – nicht die drei Schätze Buddha-Dharma- Sangha herabsetzen lästern (Vorwürfe)
Diese Gebote, Verhaltensregeln, hängen sehr eng mit dem Alltagsleben zusammen.
1. Nicht töten (kein Leben nehmen)
Bodhidarma sagt dazu: „Die Selbstnatur ist unfassbar wundervoll. Im ewigen Dharma den Gedankender Vernichtung nicht aufkommen zu lassen ist das Gebot nicht zu töten. In der Wahrheit, der Wirklichkeit jenseits dualistischen Denkens ist die Zweiteilung von „töten“ und „geetötet werden“ aufgehoben. Dogen sagt dazu: „Das Leben Buddhas aufrecht erhalten, zu leben, heißt nicht zu töten“. Achtung vor dem Leben!
2. Nicht stehlen (nur nehmen was einem gegeben wird)
Im großen Universum gibt es kein „Mein“ und kein „Dein“. Was könnate man stehlen, was einem gestohlen werde? In dieses Gebot gehört die Großzügigkeit. Großzügigkeit üben, indem ich meine Zeit, Energie, materiellen Mittel mit denen teile, die sie brauchen.
3. Keinen unreinen Sex
Bodhidarma: „Die Selbstnatur ist unfassbar wundervoll. Im Bereich des Dharmas des Nichtanhaftens, Gedanken an anhaften nicht aufkommen lassen, wird das Febot Sexualität nicht zu missbrauchen genannt“. Einfacher: Kein liebloser, gieriger Sex, keine Ausnutzung eines anderen zu seiner reinen sexuellen Befriedigung, sondern liebevolles Zugetansein.
4. Nicht lügen
Bodhidarma: „Die Selbstnatur ist unfassbar wundervoll. Im Bereich des Dharma der jenseits allen Ausdrucks ist, kein einziges Wort zu predigen, wird das Gebot nicht lügen genannt“. Harada Roshi bezieht diese Regel besonders auf Zen-Übende, die meinen und erzählen, dass sie was erreicht haben. Dies ist Lüge und Hindernis auf dem Weg zum wahren Selbst.
5. Nicht Drogen missbrauchen
Hierbei geht es um alle Mittel, welche die Wirklichkeit, die Wahrheit des Lebens „vernebeln“. Alles was, wie auch immer „betrunken“ macht fällt als „Drogen“ unter diese Regel. Das können selbst die Reden großer Meister sein, dann nämlich, wenn man Worte absolut setzt. Worte sind immer nur ein Versuch etwas zu beschreiben, niemals die Wirklichkeit, die Wirklichkeit an sich.
6. Nicht über Fehler anderer reden
Wir neigen vielfach dazu mit dem Finger auf andere zu zeigen, ihre „Fehler“ anzuprangern. Bedenkt, dass nur der Zeigefinger in Richtung des anderen weist. Mindestens drei Finger weisen auf einen selbst.
7. Nicht sich selbst loben und andere tadeln
Stellt man sich selbst heraus, wertet man andere ab. „Kein Ich gegen das Du setzen“, sagt Bodhidarma dazu.
8. Nicht geizig sein
Das gilt für alle materiellen Dinge, aber viel mehr gilt es für Geiz an Liebe, an Respekt, an Vertrauen. Im Zen bedeutet dies weitergeben was man selbst bekommen hat.
9. Nicht wütend sein
Das wohl schwierigste Gebot überhaupt. Hass – vielfach eng verbunden mit Wut – ist eins der größten Geistesgifte, die den Weg völlig verdunkeln. Fast immer wird man wütend wenn das Ego-Ich sich behauptet. Ich werde oft wütend wenn ich erlebe, wie Zen-Menschen mit den Kais umgehen, wie lässig sie es mit dem Weg nehmen. Auch für mich immer wieder eine gute Übung dieser Regel.
10. Nicht die drei Kostbarkeiten (Schätze) herabsetzen
Kritisieren, als unwichtige buddhistische Wortspiele abtun – wie im Zen leider verbreitet – sich raussuchen was man mag und damit trennen, das bedeutet Buddha, Dharma und Sangha herabsetzen.
Dies sind die zehn wichtigen Regeln, die ich kurz erklärt habe und jetzt an euch weitergebe.
Ich frage euch jetzt: Wollt ihr diese Kais übernehmen, bewahren und im Leben bestmöglich einhalten, dann antwortet mit „Ja ich will“(Antwort)
In der Einleitung zu dieser Ordenszeremonie habe ich euch die Grundätze des Zen-Ordens Offene Weite kurz erläuter: Armut, Treue, Gehorsam. Armut als wahre Freiheit. Treue als Vertrauen und Verlässlichkeit und Gehorsam als Geborgenheit im Schoß der grenzenlosen offenen Weite universellen Lebens. Die Kais, die 16 Regeln, die ihr erhalten habt, sind die Essens, die Basis der Ordensregeln.
Ich frage euch jetzt: Seit ihr bereit Angehörige (Schwestern und Brüder) dieses Ordens zu werden, wollt ihr euer Leben ausrichten auf diese Grundsätze der Ordensgemeinschaft der Kakunen taisei zen shu, dann antworten: „Ja, ich will“. (Antwort)
Als Gründer-Prior nehme ich euch nach diesem Gelöbnis als Angehörige des Ordens auf.
Ihr erhaltet jetzt eure Rakusus, die Symbole des Buddha-Flickengewandes und eure Ketsamyku, die Urkunde des Blutes als Beweis, dass ihr jetzt wahre Schüler Buddhas und Ordensangehörige seid und ein Dharmaname und das Abschneiden der Haare geben euch die Identität eines Zen-Mönches oder einer Zen-Nonne in unserer Schule/Gemeinschaft OFFENE WEITE.